von Anke Brauns, Nordkurier vom 7./8. März 2015 Neubrandenburg. Das Szenario will man sich gar nicht vorstellen: Die Haustür wird eingetreten, ein Betrunkener dringt ein, randaliert in der Wohnung, man wird von ihm in eine Ecke geschleudert. Um den Täter kümmert sich die Polizei. Aber wie verkraftet das Opfer die Gewalttat? Nicht jeder schafft das allein. Eine Frau wie Hannelore Behrens kann helfen. Sie allein zwar noch nicht, sie ist noch neu bei der Neubrandenburger Außenstelle des WEISSEN RINGS. Aber sie hat die Frau, die unter Panikattacken leidet, schon gemeinsam mit Manfred Dachner besucht, war mit ihr zu einer Rechtsanwältin, hat angeboten, sie zum Gericht zu begleiten. Irgendwann wird Hannelore Behrens selbständig Opfer von Straftaten betreuen. Da ist Manfred Dachner sicher. Denn der stellvertretende Landesvorsitzende des WEISSEN RINGS weiß, was er an seinen zwölf Frauen hat. Sie sind beim WEISSEN RING in Neubrandenburg angesichts von drei männlichen Kollegen klar in der Mehrzahl. Keine Frage, dass er zum Frauentag Blumen im Gepäck hat. Die Frauen kommen aus verschiedenen Berufen, arbeiten in der Justiz, bei den Stadtwerken, der Rentenversicherung oder in der Suchtprävention. Aber sie haben einiges gemeinsam. Sie seien "behütend, friedensstiftend und ausgleichend" tätig, lobt Dachner. Vielleicht seien das Gründe, warum besonders viele Frauen ehrenamtlich im sozialen Bereich aktiv seien. Dass sie das Ehrenamt mit Beruf und Familie unter einen Hut bringen, nötige ihm großen Respekt ab. Rita Schlämann hält dem Verein schon seit 2001 die Treue. "Ich wollte gern helfen und habe in einem Vortrag etwas über den WEISSEN RING gehört. Das hat mich gleich interessiert", erzählt sie. Seitdem hat sie schon vielen Opfern zur Seite gestanden. Fünf in einem Jahr war das Wenigste, 23 das Meiste. Das ist hart am Limit, denn "Opferbetreuung ist nicht am Fließband möglich", sagt Dachner. Dabei hatte Rita Schlämann auch schon Fälle, die einem echt unter die Haut gehen können. Eine junge Frau, die Opfer sexueller Gewalt geworden war, oder die Nordkurier-Zusteller, die 2011 brutal überfallen wurden. "Ich leide nicht mit, aber bei mir rotiert es immer gleich im Kopf, wie ich helfen könnte", erzählt sie. Wenn sich die Mitstreiter die Fälle auch aufteilen - keiner steht allein da, in den monatlichen Runden wird alles besprochen. "Der Austausch in der Gruppe ist ganz wichtig, denn jeder Fall ist anders", sagt Christiane Schoele. Genauso wie die Seminare, die der WEISSE RING zur Schulung anbietet. Einfach erstmal zuzuhören, ist das Wichtigste. Was man darüber hinaus für Betroffene tun kann, wird individuell entschieden. Finanzielle Soforthilfen sind möglich, ebenso wie Schecks für erste Anwaltsberatungen oder psychologische Unterstützung. Auch wenn die Ehrenamtlichen mit viel Leid konfrontiert werden, macht ihnen ihre Arbeit Spaß. "Wenn ich jemandem helfen kann, dass er das Geschehene besser verarbeitet, ist das schön", sagt Vivien Müller. Sie habe zum Beispiel mal eine Frau wiedergetroffen, die von ihrem Partner geschlagen worden war. Es sei schön gewesen zu sehen, dass sie wieder mitten im Leben stand. Leider erreiche man aber noch zu wenige Opfer, die Hilfe brauchen, so Manfred Dachner. 20 bis 30 Opfer würden sich im Schnitt pro Jahr bei der Neubrandenburger Außenstelle melden. Er hofft auf mehr Kontakte, wenn demnächst die Internetseite der Gruppe an den Start geht. Auch neue Mitarbeiter im Ehrenamt sind willkommen. Wer helfen möchte oder Hilfe braucht, kann sich unter Telefon 0395 3681855 an den WEISSEN RING wenden.Zwölf zu drei steht es beim WEISSEN RING in Neubrandenburg. Die Frauen sind als ehrenamtliche Helfer für Opfer von Straftaten klar in der Überzahl. Keine leichte Aufgabe. Der Chef weiss nicht nur zum Frauentag, was er an ihnen hat.