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Neubrandenburg (Stadt)
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Zwei Jubilarinnen mit ihrer ehrenamtlichen Mission

Wer selbst einmal Opfer einer Straftat geworden ist, weiß ganz genau, dass Hilfe ein hohes Gut ist. Als Opferhilfeverein engagiert sich der WEISSE RING weit über die Landesgrenzen hinaus. Auch in der Viertorestadt ist er aktiv, aber ohne seine ehrenamtlichen Helfer wäre der Verein vermutlich nichts. Daher gab es für zwei von ihnen kürzlich eine Ehrung ihrer Arbeit.

Neubrandenburg. Sie werden gerufen, wenn das Kind sprichwörtlich bereits in den Brunnen gefallen ist. Doch im Gegensatz zu den polizeilichen Ermittlungen findet ihre Arbeit im Hintergrund statt. Dabei geht es primär um eine persönliche Nachbetreuung. Darum, eine Stütze im Alltag zu sein und den Geschädigten wieder neuen Lebensmut zu vermitteln. Ohne die zehn ehrenamtlichen Mitarbeiter des Neubrandenburger WEISSEN RINGS würden viele Opfer von Gewalttaten vermutlich nur sehr schwer wieder zurück in ein geregeltes Leben finden. Anerkennung bekommen die Helfer meist nur im Stillen. In regelmäßigen Abständen werden langjährige Mitarbeiter allerdings feierlich geehrt, um ihnen zumindest kurzzeitig die wohlverdiente Ehre zuteilwerden zu lassen.

So auch Christiane Schoele und Rita Schlämann. Die beiden Neubrandenburgerinnen engagieren sich seit mehreren Jahren im WEISSEN RING und konnten in dieser Zeit schon vielen Leuten helfen. Nicht selten reichte ein offenes Ohr, waren es einfache Hilfestellungen bei Behördengängen, die die oftmals schlimmen Erlebnisse der Opfer vergessen ließen - oder zumindest etwas minderten. So erinnert sich Rita Schlämann noch sehr gut an ihren ersten Fall, um den sie sich eigenständig kümmern durfte. "Es ging um eine ältere Dame, der ihre Handtasche brutal entrissen wurde", sagt die 56-jährige mit ernstem Blick. Da sie jedoch schon immer gern geholfen habe, sei es allerdings keine große Mühe gewesen, fügt sie hinzu. "Die Frau hatte schlicht niemanden mehr und so habe ich lediglich bei einigen Formalien geholfen." Binnen kürzester Zeit war die Frau wieder im Besitz all ihrer abhandengekommenen Dokumente, wie Ausweis oder Versicherungskarte.

Ein gewisser Abstand ist nötig

Kurz darauf wartete ein Hilfegesuch, das die Neubrandenburgerin noch immer sichtlich beschäftigt. "Es ging um eine versuchte Vergewaltigung." Dies Angelegenheit habe sich über ein ganzes Jahr hingezogen, erinnert sie sich. Zuschüsse für Anwälte und ärztliche Atteste, alles finanziell unterstützt durch den WEISSEN RING - und von ihr begleitet. Selbst auf dem Gericht war Rita Schlämann mit anwesend, um als seelische Stütze zu fungieren. Diese Geschichte sei wirklich hart gewesen und habe sie enorm mitgenommen, heißt es weiter. Da war sie, die emotionale Grenze, die man als Helfer keineswegs ünberschreiten sollte, erklärte Christiane Schoele. "Ein gewisser Abstand ist wichtig, weil man sonst die Objektivität verliert und womöglich nur noch von seinen eigenen Emotionen geleitet wird."

Auch die 65-jährige Christiane Schoele kennt diese Grenze, an der sie ebenfalls das eine oder andere Mal haltmachen musste. Dabei ist es dem Zufall zu verdanken, dass sie an den WEISSEN RING geriet. "Nachdem ich in Rente ging, fehlte mir etwas im Leben und so habe ich recht spontan die Ehrenamtsmesse in der Hochschule besucht." Doch bereits im Vorfeld sei ihr klar gewesen, dass sie sich in einem Opferverein engagieren wolle, fügt sie hinzu. Beim Schlendern über die Messe macht sie auch am Stand des WEISSEN RINGS halt und lernte Rita Schlämann kennen, die damals selbst schon seit 10 Jahren aktives Mitglied war. Das ist nun schon fünf Jahre und etliche Helfer-Workshops her. Seitdem treffe man sich mit dem gesamten Team einmal im Monat, um über die aktuellen Fälle zu sprechen.

Unterschiedlicher Umgang der Opfer mit der Hilfe

Etwa über die zwei Fälle häuslicher Gewalt, die sich der Neubrandenburgerin regelrecht in ihr Gedächtnis gebrannt haben. "Zum einen war da eine wahrhafte Kämpfernatur, die lediglich etwas Beistand brauchte", erinnert sich Christiane Schoele. Ziemlich unkompliziert habe man damals helfen gekonnt und das Opfer sei recht schnell wieder im Alltag klargekommen, heißt es. "Die andere Frau hingegen, das krasse Gegenteil." Eine Leidende auf der ganzen Linie. Sicherlich sei ihr eine schlimme Ungerechtigkeit widerfahren, aber ihr habe man einfach nicht helfen können. " Sie hat sich gegen jeden Hilfeversuch gestemmt, so dass ich den Fall letztlich abgegeben habe. Wir können nur die Hilfe zur Selbsthilfe anbieten und niemanden drängen."

Obwohl die beiden aus tiefer Überzeugung helfen, opfern sie einen Großteil ihrer Freizeit für ihr Ehrenamt. "Ich bin schließlich Rentnerin und kann somit über meine gesamte Zeit verfügen", sagt Christiane Schoele trocken und muß schmunzeln. Bei Rita Schlämann sieht das schon anders aus. "Ich gehe voll arbeiten und da bleibt unter der Woche nicht viel Zeit über, aber trotzdem möchte ich auf diese freiwillige Arbeit keineswegs verzichten", so die Neubrandenburgerin. Am Wochenende könne man jedoch allerhand Organisatorisches erledigen, beteuert sie. "Trotzdem möchte ich demnächst auch wieder Opfer betreuen." Eins wissen die beiden allerdings schon jetzt: "Obwohl diese Engagement mitunter recht hart ist, möchte wir es weiterin aus voller Überzeugung ausüben."

Autor (Bild und Text): Marcel Laggai. Erschienen im Nordkurier vom 27. Mai 2017.